Am 24. Februar 2022 begann der russische Präsident Putin seine Invasion in die Ukraine.
Wie stark mich das angreifen würde, hatte ich nicht erwartet. Nonstop gab es in den Medien neue Schreckensbilder und -nachrichten, die meine Stimmung von Tag zu Tag tiefer drückten.
Um irgendwie meine Kontrolle wiederzuerlangen und meine Ohnmacht zu bewältigen, ließ ich mir etwas einfallen, das meinen Blick wieder für schöne Dinge öffnen sollte.
So wuchs eine Idee!
Ein tägliches Ranking aller möglichen Ereignisse der vergangenen 24 Stunden lenkte meine Aufmerksamkeit gleichberechtigt auf Negatives und Positives. Indem ich den schockierenden allgegenwärtigen Pressebildern das erfreulichste „Bild des Tages“ aus meinem eigenen Kopf gegenüberstellte, rückte ich während des Schaffensprozesses zwangsläufig ermutigende, optimistische, hoffnungsvolle Aspekte des Seins wieder stärker in meinen Fokus.
Außerdem plante ich die Nachrichten nicht einfach komplett auszublenden, sondern würdigte das Leid, von dem sie oft handelten dadurch, dass ich es auf der Kehrseite des Bildes schriftlich notierte.
Angesichts der Vielzahl an Meldungen, wurde dabei nicht selten der Platz auf der Rückfront so knapp, dass ich winzige Handschrift benutzen musste, um alles unterbringen zu können. Ich habe das bewusst so hingenommen, weil es mich an die Aufzeichnungen Gefangener im letzten Weltkrieg erinnerte. Diese mussten genauso vorgehen, um ihre Eindrücke auf den begrenzten Papierbeständen festhalten zu können. So entstand zwischen der Vorder- und Rückseite des Blattes ein Spannungsfeld, an dem ich meine Energie wieder aufladen konnte, wie einen Akku.
Meine anfänglichen Skrupel – Wie kann man sich im Angesicht des Krieges nur solchen banalen Bildchen widmen? – wichen, als ich an mir erste positive Effekte bemerkte.
Seit Kriegsbeginn habe ich die Herausforderung angenommen und jeden Tag ein kleines Bild gemalt und mich jeden Tag lustvoll darauf konzentriert herauszufinden:
Was hat mir heute den meisten Mut, die meiste Freude, die meiste Hoffnung und den meisten Optimismus gespendet? Und wie kann ich das darstellen?
So sind auf 19×24 cm großen Papierbögen sehr abwechslungsreiche ca.10×10 cm große Aquarelle entstanden, mit Themen und Motiven so unterschiedlich, wie Tage nun mal sind.
Bald habe ich festgestellt, dass es gar nicht so einfach ist, täglich ein erbauliches Motiv zu finden, wenn man z.B. eigentlich nur an der Steuererklärung gesessen hat.
Was malt man dann?
Und wie und wann hört man wieder auf?
Wie kann ich behaupten „jetzt reicht es mir, ich kann nicht mehr“,während das ukrainische Volk gezwungen ist, jeden Tag weiter um sein Überleben zu kämpfen? Muss ich dann nicht auch durchhalten?
Und die Ukraine ist tapfer und verteidigt sich zu meiner großen Bewunderung zäher als alle Expert*innen vorhergesagt haben. Längst wurden die ersten Prognosen für eine Niederlage Davids gegen Goliath gerissen. Also legte ich meinen Durchhalte-Anspruch an mich selbst auf hundert Tage Minimum fest – dann auf ein halbes Jahr und schließlich auf ein ganzes.
Jeder weitere Tag des Stellungskrieges verlängerte Leid, brachte aber in diesem Jahr auch ein neues Bild hervor und somit vielleicht ein winziges Fünkchen Freude! Ein Kampf von Schöpfung gegen Vernichtung,
Leichtigkeit gegen Schwere!